Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche

                   ISSN 2509-7601







Adel verpflichtet: Eklatant christliches Versagen


Am 23. Juni 1920 wurde durch das „Preußische Gesetz über die Aufhebung der Standesvorrechte des Adels und die Auflösung des Hausvermögens“ eine folgenreiche Zäsur gesetzt, nachdem man mit dem Artikel 109 der Weimarer Reichsverfassung vom 14. August 1919 gute Vorarbeit zur Abschaffung des Adels geleistet hatte: Die Gleichberechtigung aller Bürgerinnen und Bürger war amtlich, der christliche und de facto biblische Freiheitsspruch „Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann“ konnte staatlich realisiert werden, ihm hatten sich die Kirchen über Jahrhunderte grundlegend verweigert.

Der Hype um die inszenierte Vermählung des Berufssoldaten Henry Charles Albert David (sog. Duke of Sussex) mit der Schauspielerin Meghan Markle (nunmehr sog. Duchess of Sussex) lässt indes auch hierzulande fast einhundert Jahre später eine kritische Distanz mit möglichst einhergehenden reifen Verstandesleistungen vermissen. Ein Arbeitsergebnis bestünde darin, derlei Marketingbemühungen der britischen Soft Power als ein selbstreferenzielles Ansinnen zu demaskieren.

Wenn ein traditionelles Brautkleid mit meterlangem Schleier von Kommentatoren als Erweis des Feminismus gesichtet wird, mag man sich mit dem Eindruck einer intellektuell bizarren Szenerie durchaus bestärkt fühlen. Der Walk zum Altar mit der Übergabe einer Frau durch einen Mann an einen weiteren Mann kann in diesem Zusammenhang nicht mit den Kategorien des 21. Jahrhunderts genauer analysiert werden, denn die patriarchale Stammesgesellschaft feiert hier fröhlich anachronistische Urständ.

Akzeptanz des Adels als eklatantes christliches Versagen  

Zu einer weiteren Verstandesleistung kann man mit Hilfe des renommierten Kirchengeschichtlers Arnold Angenendt gelangen. In seinem Opus „Toleranz und Gewalt. Das Christentum zwischen Bibel und Schwert“ benennt er ein verstörendes Desaster im Namen Jesu; so stellt er deutlich fest, dass „die bevorrechtigte Adeligkeit, deren Akzeptanz vielmehr ein eklatantes christliches Versagen ausweist“, mit der christlichen Botschaft schlichtweg nichts zu tun habe: „Wie das Neue Testament jede religiöse Wertigkeit der Blutsverwandtschaft ablehnt, so kennt es auch keinen Adel.“

Und die Reformation?  

Bedauerlicherweise sei auch ein Versagen der Reformation hinsichtlich der Verquickung von Adel und Kirche festzustellen, indem sie das allgemeine Priestertum in organisatorischer Hinsicht umgehend für die adligen Landesherrn reservierte.

Nebenbei erklärt Angenendt sein völliges Unverständnis für den fehlenden kirchlichen Protest an den Hand- und Spanndiensten, von denen sich die Bauern beim Adel trotz Französischer Revolution und der folglichen Aufhebung der Leibeigenschaft loszukaufen hatten, was durch den daraufhin notwendigen Landverkauf bei geringer werdender Kindersterblichkeit zu einer Verelendung von Teilen der Landbevölkerung führte. Die Amortisierung der ab 1848 gewährten Darlehen habe in Preußen noch bis 1927 angedauert. Wir sehen: Adel verpflichtet.

Schlösser, Kunst und Burgen: Manifest jahrhundertelanger Ausbeutung

Man kann sich nur mit einer gewissen Bitterkeit bewusst machen, dass jedwede darstellende Kunst bzw. Architektur aus dem behaupteten blutsprivilegierten Initiatorenkreis ein bis heute erfahrbares Manifest jahrhundertelanger Ausbeutung darstellt. Bei Meghans und Harrys Hochzeit diente es als projektionsflächige Märchenkulisse eines leistungsfreien Luxus.

Arnold Angenendts Summa „Das eigentlich egalitäre Christentum erschien als Hort des Ständischen“ vermag einzig die sog. Queen eine Krone des Anstößigen aufzusetzen: Sie ist Supreme Governor of the Church of England.  (© mpk/Juni 2018)


                                                                                                                         

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