Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche

                   ISSN 2509-7601




Herrn Pfarrer em. Jochen Streiter/Wuppertal (Kontakt: jstreiter@t-online.de) sei an dieser Stelle für die Bereitstellung des folgenden Artikels herzlich gedankt. Er erschien zuerst in der Zeitschrift Die Hausorgel (Nr. 30/2019, S. 32-33).


Vivat Vinylium!
Realsatirisches zum Thema Orgel auf Tonträgern


Neunmal habe ich in dieser Zeitschrift die Rubrik „Kleinorgel-CDs“ veröffentlicht, von 2004 bis 2013. Obwohl ich meinte, einen phantastischen Service zu liefern, tendierte die Reaktion aus dem Leserkreis gegen Null. Meine Bitten um Hinweise verhallten ohne Echo. Gefrustet stellte ich die Serie ein.

Und stieg um. Auf Vinyl. Und lag damit im Trend. Eine überraschende Entwicklung war eingetreten. Die gute alte Langspielplatte - einst als dem Untergang geweihte Spezies belächelt - ist wieder da. Es werden neue Scheiben gepresst und Plattenspieler gebaut. Sogar Rillen reinigende Waschmaschinen gibt es. Verkaufsmessen finden statt, Fachmagazine für ´Vinyl-Kultur´ erscheinen. Totgesagte leben länger, war zu lesen. Wie konnte das geschehen?

Einiges kommt da zusammen. Die LP ist kompatibel mit hehren Prinzipien. Dem  Entschleunigen etwa. Man steht langsam auf und dreht die Platte vorsichtig um. Sodann die Nachhaltigkeit. Wer eine Schallplatte erwirbt, sagt Nein zur kurzlebigen, umweltvergessenen Plastikkultur. Die LP huldigt nicht dem Jugendwahn, will nicht perfekt sein; sie steht zu ihren Macken. Ein künstlerisch gestaltetes Cover bereitet optischen und haptischen Genuss. Die Tage der CD dagegen sind gezählt. Erst wird sie unleserlich und irgendwann zerbröselt sie ganz. No future. Das eine Zeitlang angesagte Digitalisieren von LPs enttäuscht. Der warme Charme des Originals geht futsch. Zig Tausende LPs hat die Nationalbibliothek angekauft, um das kulturelle Erbe zu sichern. Vinyl, so die Erkenntnis, hält quasi ewig. Daher Long Play.

So manches Schätzchen konnte ich in Plattenläden entdecken. Zugegeben, dort fristen Orgel-LPs eher ein Mauerblümchendasein. Und die mit kleinen Instrumenten sind rar. Nachschub gibt es, ließ ich mir sagen, wenn Orgelfreunde das Zeitliche segnen. Auch im Internet wurde ich fündig. Ich bilde mir ein, hier und da das weltweit einzig verfügbare Exemplar ergattert zu haben. Ganz nebenbei: das Sammeln in diesem Sonderbereich hat den positiven Sekundäreffekt, dass die - unbekannte - Zahl der noch nicht vorhandenen Einspielungen, im Unterschied zur Uferlosigkeit bei den CDs, ständig sinkt.

In der Familie wird meine Retro-Leidenschaft beachselzuckt. Phasen häuslichen Alleinseins nutze ich zum Lauschen der knisternden Klänge. Als ich drei Dutzend Stück beisammen hatte und meinem Sohn gegenüber bemerkte, dass ich mit dieser prächtigen Kollektion wohl allein auf weiter Flur stünde, vermutete der, dass es in den USA sicher einen Millionär mit mehr gebe. Mich hat das gewurmt, dann aber angespornt. Ich hielt die Augen offen und schlug bei günstigen Gelegenheiten zu.

Die Sammlung wuchs. Just zum Jubiläumsjahr 2017 durchbrach ich die Schallmauer. Ich besaß jetzt mehr Titel als Luther Thesen an die Tür geschlagen hatte. Aufs Neue motiviert gab ich das Rauchen und das Trinken auf. Mittel wurden frei und es kam noch einmal Schwung in die Geschichte.

In mir reifte der Entschluss, Ordnung in das Chaos zu bringen. In verschneiten Winternächten bei Kerzenschein (das war jetzt geflunkert, hört sich aber gut an) machte ich mich daran, ein Inventar zu erarbeiten. Mit teutonischer Gründlichkeit stellte ich Angaben zu Titel, Instrument(en), zu Interpret(en), Label und Erscheinungsjahr zusammen. Die Einteilung der gespielten Orgeltypen (historische und moderne Kleinorgeln, kleine Kirchenorgeln mit bis zu zehn Registern, Hausorgeln, Positive, Stilkopien, Sonderformen wie Claviorganum etc.) erfolgt auch nach anderen Kategorien, wie Länder und Regionen oder Musik für mehrere Orgeln, Instrumente in Museen etc. Mal so, mal so. Bei der gespielten Musik konnte ich in vielen Fällen auf www.discogs.com verweisen, eine informative Plattform, auf der Sammler von Tonträgern ihre Titel mit den wichtigsten Daten eingeben und manchmal auch zum Kauf anbieten („Database and Marketplace“).

Was wird aus alledem einmal werden? Landet es auf dem Flohmarkt? In der Müllverbrennungsanlage? Ich mag gar nicht daran denken. Vielleicht findet sich ja ein Museum, das sich erbarmt. Bitte melden! Ich verfüge das dann testamentarisch.

Der Abdruck des Katalogs würde den Rahmen unseres geschätzten Blattes sprengen. Wer sich dafür interessiert, wende sich an meine Emailadresse: jstreiter@t-online.de. Ich sende die PDF-Datei gerne zu.

                                                                                                                         

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