Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche

                   ISSN 2509-7601

 



























Eine Buchempfehlung zum Phänomen André Fleury - dem letzten Symphoniker der französischen Orgelmusik des 20. Jahrhunderts

Wilhelm Hafner: Das Orgelwerk von André Fleury (1903–1995) und sein Verhältnis zur französischen Orgelmusik des 20. Jahrhunderts

In der Geschichte der französischen Orgelmusik nimmt André Fleury (1903-1995) eine herausragende Stellung ein. Fleury gilt als einer der letzten Symphoniker der französischen Orgelmusik des 20. Jahrhunderts, war Organist, Improvisator, Komponist und Pädagoge. Bald nach der Jahrhundertwende in eine musikalische Familie geboren, gehört er zur Gruppe derjenigen Musiker, die Bernard Gavoty als „jeune école dʼorgue française“ bezeichnet hatte.

Nach seiner Ausbildung am Conservatoire und bei Louis Vierne spielte André Fleury die Chororgel von Sacré-Cœur in Paris und wurde später Titularorganist an der großen Orgel von St. Augustin. 1944 ernannte man ihn zum Professor an der École Normale de Musique in Paris ernannt. Nach dem Krieg ging Fleury nach Dijon, wo er die Nachfolge Emile Poillots an der Kathedrale St. Bénigne antrat.

1949 bis 1971 wurde ihm außerdem eine Klavier-, sowie ab 1950 die neueingerichtete Orgelklasse des Conservatoire übertragen. Zahlreiche Konzerte im In- und Ausland prägten die folgenden Jahre.

Zurück in Paris wurde Fleury zum Co-Titulaire von St. Eustache ernannt und wenig später zugleich Organist an der Kathedrale St. Louis in Versailles. Außer dem vertraute man ihm eine Orgelklasse an der Schola Cantorum an. Fleury war Jurymitglied beim Internationalen Wettbewerb für Orgelimprovisation in Haarlem, Niederlande, und wirkte 1985 bei der Wiedereinweihung der Cavaillé-Coll-Orgel von Sacré-Coeur, Paris, mit.

Als Komponist hinterlässt Fleury ein stattliches Korpus an Werken, das hauptsächlich für „sein“ Instrument, die Orgel, geschrieben ist. Fleurys Orgelwerke – seien es „freie“ oder choralgebundene Orgelwerke – nehmen also den größeren Teil seines Schaffens ein. Daneben findet man eine Reihe weiterer Kompositionen: Vokalwerke, Klavierwerke, Kammermusikwerke und Bearbeitungen. Überblickt man das Fleurysche Orgelwerk als Ganzes, so lässt es verschiedene Gliederungsmöglichkeiten zu. Die vorliegende Studie teilt ein in Tonschöpfungen für große Orgel und solche für Orgel ohne obligates Pedal bzw. Harmonium. Nach einem einleitenden Kapitel zur Biographie André Fleurys folgt die Studie dem bewährten Schema des Bandes über die Orgelwerke Jehan Alains, den der Autor im Jahr 2000 vorgelegt hat. So widmet sich der Band allen Orgelwerken Fleurys mit der gleichen Systematik und untersucht jedes Werk minutiös in Einzeldarstellung: Auf eine Einführung zu den Quellen (Autograph, Druck) und zur Entstehung folgt eine Analyse, die detailliert auf das jeweilige Stück eingeht.

Abgeschlossen wird jede Werkbetrachtung durch eine eigene Bibliographie. Im Anschluss daran werden die Ergebnisse der Einzelanalysen zusammen gefasst und die gemeinsamen Merkmale, die den Kompositionsstil Fleurys letztlich begründen, benannt. Der dritte Abschnitt der Arbeit beschäftigt sich mit der Stellung des Orgelwerkes im Gesamtschaffen, wozu – soweit möglich – ein Vergleich mit den übrigen Schaffensgebieten des Tondichters (Vokal-, Klavier-, Kammermusikwerke, Orgelbearbeitungen) dient. Die Position des Fleuryschen Orgelwerkes innerhalb der französischen Orgelmusik des 20. Jahrhunderts zu beleuchten, ist Aufgabe des letzten Kapitels. Der Schwerpunkt liegt bei den Wurzeln und Parallelen, indem wesentliche Entwicklungen der französischen Orgelmusik aufgezeigt werden, während die noch wenig erforschte Wirkungsgeschichte der Fleuryschen Musik – hier wie in den vorausgehenden Kapiteln – nur andeutungsweise behandelt werden kann.

Der Anhang umfasst Originaltexte; darüber hinaus enthält er Dispositionen derjenigen Orgeln, die im Leben Fleurys eine wichtige Rolle gespielt haben. Eine weitgehend vollständige Bibliographie, die Fleurys eigene Schriften miteinbezieht, rundet das Thema ab. Ein Register der Orgelwerke und ein Personenregister erschließen den Band.

Der Autor Wilhelm Hafner ist Lehrer für Orgel und Musiktheorie am Badischen Konservatorium Karlsruhe und Mitglied im Tonkünstlerverband Augsburg – Schwaben e.V.. Als Organist gibt er Konzerte; eine Einspielung auf der Sandtner-Orgel der Basilika St. Ulrich und Afra in Augsburg von Olivier Messiaens La Nativité du Seigneur / L'Ascension ist als CD erhältlich. Sein vielbeachtetes Werk über das Orgelwerk von Jehan Alain (1911-1940) und sein Verhältnis zur französischen Orgelmusik des 20. Jahrhunderts erschien im Jahr 2000 im gleichen Verlag.  (tk/ed.)

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Wilhelm Hafner: Das Orgelwerk von André Fleury (1903–1995) und sein Verhältnis zur französischen Orgelmusik des 20. Jahrhunderts. 2021. XIV, 470 Seiten, 9 Abbildungen, 200 Notenbeispiele. € 96,-- ISBN 978-3-87320-602-1
Sammlung musikwissenschaftlicher Abhandlungen 102
VERLAG VALENTIN KOERNER GMBH
www.koernerverlag.de


                                                                                                                         

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