Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche

                   ISSN 2509-7601


UPDATE

Aus der "Komponierstube" eines Landorganisten

Von der launigen Improvisationsidee zum nachhaltigen Notenblatt

Der Ausdruck Komponierstube soll hier im übertragenen Sinne verstanden werden. Ansonsten wäre er eine Hybris. Indes mag am Beispiel einer Hochzeitsmusik der Vorgang des Wachsen und Werdens einer musikalischen Idee verdeutlicht werden.


  Ursprüngliche Version im Stile eines Leadsheet (18 Takte)

Die ursprüngliche Version wurde nach einigem Herumprobieren auswendig gespielt und war mit Varianten reproduzierbar: Es ist eine im Vierertakt pedaliter abwärts gespielte C-Dur-Tonleiter bis zum D, die dann auf G abkadenziert wird. Bereits hier ergibt sich insbesondere durch die fehlende Gegenbewegung eine Herausforderung: Es sollen Parallelen vermieden werden. Zunächst sind Sextakkorde in der linken Hand - bei Melodieführung in der rechten - hilfreich.

Pragmatische Liturgizität

Die rondoartige Faktur des Stückes ergibt eine gute liturgische Einsatzmöglichkeit, da je nach zeitlichem Bedarf Teile wiederholt, eingefügt oder weggelassen werden können.

Die Bausteine der Hochzeitsmusik sind diese vier:

  • Hauptkadenz in C-Dur
  • Couplet 1 in c-Moll
  • Couplet 2 in a-Moll
  • Coda in C-Dur mit (voll)vermindertem Septakkord

Die weitere penible Analyse ergibt nach aller Spielfreude, dass zwischen den Akkorden der linken Hand und der gefühlten Melodiestimme Oktavparallelen bestehen. Nun muss eine Grundsatzentscheidung gefällt werden. Erstens gilt das Verbot zuvörderst im strengen polyphonen Satz, der aber hier aufgrund wechselnder Stimmenanzahl nicht vorliegt. Zweitens habe ich eher die auditive Ebene im Hörblick: Stören sie klanglich oder nicht?

Dass drittens die Analyse von Kompositionen eines auf YouTube sehr erfolgreichen Orgelstudenten unzählige Oktavparallelen aufzeigen, mag hier nur am Rande erwähnt werden. Offensichtlich gehört ihre Vermeidung nicht mehr so ganz zum guten Ton. So bleibe ich bei meinem Vorhaben, die Parallelen dort zu tilgen, wo sie mich klanglich unbefriedigt zurücklassen.

Neuer Charakter: Trumpet Tune

Die wesentlichste Veränderung im Veränderungsprozess folgt, sie ist zunächst formaler Art: Im ersten Couplet stört mich die strenge absteigende Simplizität. Hier ist noch viel Luft nach oben. So kommt mir der Gedanke, nicht nur an dieser Stelle ein Solo zugunsten der Melodie zu spielen. Der Charakter der Musik hat sich nun verändert, es ist zu einer eine Art Trumpet Tune geworden, denn auf das Solo folgt die Wiederholung im Plenum.


Nach der Eingabe in das Notensatzprogramm erfolgt ein wochenlanges Redigieren von Kleinigkeiten. Insbesondere in der Melodieführung des in c-Moll gehaltenen Abschnitts ergeben sich immer wieder Veränderungen. Das gilt ebenso für das zweite Couplet in a-Moll. Auch die Abfolge der einzelnen Teile ist dramaturgisch abzuwägen. Manchmal fällt es mir schwer, mich zu entscheiden, wenn es Alternativen gibt.

Redigieren zur guten Spielbarkeit

So packt mich zwischendurch der Ehrgeiz, die Oktavparallelen zu umgehen und gleichzeitig einen quasi sanglichen Satz auf den Weg zu bringen. Gleichfalls soll das Opusculum aber auch für Anfänger gut spielbar sein. Alles unter einen Hut zu bringen, braucht eine gewisse Übung. Ich bemerke, wie sich der Blick zunehmend schärft.

Das Lob eines Organisten freut mich nach der Endredaktion, der dann meinte, „dass das Stück recht einfach zu spielen ist. Es klingt aber nicht danach! Erfrischend ist auch der Mittelteil, weil er nicht wie üblich eine ruhige Melodie zur Grundlage hat, sondern die Dynamik des Stücks fortsetzt.“  (mpk)





                                                                                                                       

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