Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche
ISSN 2509-7601
Die "Komponierstube" eines Landorganisten
Von der launigen Improvisationsidee zum nachhaltigen Notenblatt
Der Ausdruck Komponierstube soll hier im übertragenen Sinne verstanden werden. Ansonsten wäre er eine Hybris. Indes mag am Beispiel der Hochzeitsmusik der Vorgang des Wachsen und Werdens einer musikalischen Idee verdeutlicht werden.

Ausschnitt Leadsheet (Notenblatt der Kadenzen mit ausnotierten Akkorden/18 Takte)
Der erste Versuch (Trial No. 1) gibt die ursprüngliche Version wieder, die nach einigem Herumprobieren auswendig gespielt wurde und mit Varianten reproduzierbar war: Es ist eine im Vierertakt pedaliter abwärts gespielte C-Dur-Tonleiter bis zum D, die dann auf G abkadenziert wird. Bereits hier ergibt sich insbesondere durch die fehlende Gegenbewegung eine Herausforderung: Es sollen Parallelen vermieden werden. Zunächst sind Sextakkorde in der linken Hand - bei Melodieführung in der rechten - hilfreich. Die rondoartige Faktur des Stückes ergibt eine gute liturgische Einsatzmöglichkeit, da je nach zeitlichem Bedarf Teile wiederholt, eingefügt oder weggelassen werden können.
Der geplante zweite Versuch (Trial No. 2) soll einen Fortschritt erbringen, denn die weitere penible Analyse ergibt nach aller Spielfreude, dass zwischen den Akkorden der linken Hand und der gefühlten Melodiestimme Oktavparallelen bestehen. Nun muss eine Grundsatzentscheidung gefällt werden. Erstens gilt das Verbot zuvörderst im strengen polyphonen Satz, der hier in seiner wechselnden Stimmenanzahl nicht vorliegt. Zweitens sehe ich eher die auditive Ebene: Stören sie klanglich oder nicht? Dass drittens die Analyse von Kompositionen eines sehr erfolgreichen Orgelstudenten unzählige Oktavparallelen aufzeigen, mag hier nur am Rande erwähnt werden. Ich bleibe bei meinem Vorhaben, die Parallelen lediglich dort zu tilgen, wo sie mich klanglich unbefriedigt zurücklassen.
Im Weiteren fällt das erste Couplet fällt durch seine strenge absteigende Simplizität auf. Hier ist auch noch viel Luft nach oben. So kommt mir der Gedanke, an dieser Stelle ein Solo zugunsten der Melodie zu spielen, ganz im Sinne eines Trumpet Tune.
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Fortsetzung folgt