Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche
ISSN 2509-7601
MuTh-Rezensionen
Nahezu pure Grandezza - CD Cameron Carpenter - All You Need Is Bach: Ohne Zweifel: ein wahrhaftes Meisterwerk mit großem Sturm und Drang. Man fühlt sich an Mendelssohns Italienreise erinnert, so dann auch an seinen Ausruf „Die Sonne brennt fortissimo“. Wer gerät hier aber mehr ins Schwitzen? Carpenter, die Zuhörerschaft oder gar die immer noch neue und vermutlich einem Update unterzogene International Touring Organ (ITO)?
Ein nachhaltiger Eindruck setzt sich im Laufe des wiederholten Zuhörens fest: Mehr geht einfach nicht, und das hinsichtlich Tempo und inkludierter Strukturiertheit des Ausdrucks. Sowohl das durchdeklinierte Rubato mit all seinen Spannungsbögen als auch der oftmals sagenhafte Register- und/oder Manualwechsel sind auf absolute Hochleistung ausgerichtet. Gleichwohl hat man wirklich stets das Gefühl ... mehr
Martin Werner: Wer war der Apostel Paulus?
Der Theologe Albert Schweitzer verließ Europa früh. Da er keine weitere universitäre Laufbahn eingeschlagen hatte, kam sein Werk (Jesus/Paulus/Kulturphilosophie …) nicht so zum Zuge, wie es wünschenswert gewesen wäre. Die Zäsur des Ersten Weltkrieges tat ein Übriges dazu. Durch die Vorherrschaft der "dialektischen" Theologie (im evangelischen Bereich) wurde zudem alles verdammt, was Liberalität assoziieren ließ.
Eine Ausnahme war die Schweiz. Dort hat die durch Martin Werner (1887-1964) begründete "Berner Schule" die Schweitzerschen Ideen aufgenommen und weiterentwickelt. Diese profunde theologische Facette ist in Deutschland weithin unbeachtet geblieben. Martin Werner geriet in Vergessenheit. Er blieb bis zu seinem Tod engster theologischer Freund Schweitzers, wovon der 2006 erschienene Briefwechsel der beiden ... mehr
Fabien Moulaert & Northern Baroque (Coviello Classics): Sweelinck:
Toccata; Echo fantasia; Est-ce Mars - Schütz: O süßer, o freundlicher, o
gütiger Herr Jesu Christe; Eile mich, Gott, zu erretten; Herr, mir zu
helfen - Scheidemann: Lobet den Herren, denn er ist sehr freundlich;
Preambulum in g; Erbarm dich mein, O Herre Gott - Buxtehude: Toccata in
d; Ich ruf zu Dir, Herr Jesu Christ; Passacaglia in d; Fuga in C; Komm
Heiliger Geist, Herr Gott; Klag-Lied - Künstler: Fabien Moulaert
(Orgel), Zsuzsi Toth (Sopran) - Dauer: 65:17
Keine Frage: Bei
Fabien Moulaerts Debut-CD haben wir es mit einem großen Wurf zu tun.
Niemand aber käme wohl beim Hören auf den Gedanken, dass der Spielende
zur jüngeren Generation gehört. Der 1985 in Belgien geborene und in
Österreich tätige Organist weiß eine abgeklärte und zugleich berührende
Noblesse an den Tag zu legen. Die dargestellten Werke von Sweelinck über
Scheidemann zu Buxtehude lassen eine wohldeklinierte Herangehensweise
vernehmen, die sich insbesondere in einer feinen Artikulationskultur
bemerkbar macht. Allein die Gestaltung der Melismen in Scheidemanns
Choralfantasie „Lobet den Herren, denn er ist sehr freundlich“ ist zum
Niederknien anmutig.
Zsuzsi
Toth verleiht mit ihren drei Solo-Einlagen zum Orgel-Continuo (Schütz
und Buxtehude; in Belgien aufgenommen) dem CD-Programm einen durchaus
melancholischen Grundzug, der jedoch Düsteres zu vermeiden weiß. Das
warme, fast alt-bezogene Timbre ihrer Sopranstimme besitzt einen
tröstenden Grundcharakter, der sich stimmig in das CD-Programm
einfügt.
Moulaert
gelingt es, durch die chronologische Programmwahl, den Aufnahmeort
Sankt Jacobi zu Hamburg mit seiner wohlrestaurierten Arp-Schnitger-Orgel
und insbesondere durch seine überlegene Gestaltungskraft den
Entwicklungsbogen des Northern Baroque galant zu spannen. Ab Buxtehude
wartet er neben der genannten Noblesse mit einer beachtlichen Grandeur
auf, die sich auch in der Tempowahl bemerkbar macht. Vielleicht hätte
ein Bruhns noch ganz gut in den Reigen gepasst.
Fazit:
Fabien Moulaert präsentiert mit seiner Debut-CD eine höchst gelungene
„musikalische Rede“, die sich individuell und wohltuend warmherzig von
der Fülle barocker Darbietungen abhebt. Den rhetorischen Prinzipien des
Northern Baroque wird alle Ehre erwiesen. (© mpk)
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Zielführende Einblicke in ein 7-stimmiges Narrativum: Das - netto betrachtet - 119-seitige Opus von Harald Sumik "Alles geht den Johann Sebastian Bach runter? Eine märchenhafte Fuge a sette voci" ließ mich nach vollzogener Lektüre etwas ratlos zurück. Zunächst hatte ich das Lesen mit drängender Neugierde begonnen, auch angesichts der durch den Ventura-Verlag (Werne a.d. Lippe) behaupteten Literaturgattung Roman war ich gespannt. Leider ließen mit zunehmendem Seitenkonsum die empfundenen ... mehr
Neue Orgelmusik braucht das Land - Ein paar Anmerkungen zur innovativen Kompositionsszenerie: Über die reüssierende Komponistin Margaretha Christina de Jong heißt es: "Neben ihrer Tätigkeit als Konzertorganistin, Kirchenmusikerin und Dozentin profiliert sie sich mehr und mehr als Komponistin." Neben den Kompositionen des um sechs Jahre älteren Andreas Willscher gehören ihre Werke zu den derzeit angesagten Highlights der Orgelszene, die kommunizierbare Musik mit plausibel vertretbarem Übeaufwand für das Organistenamt benötigt. Wahrscheinlich liegt dieser Erfolg an der ... mehr
Das Orgelbuch der Domorganisten: Zweifelsohne: ein raffinierter Titel und ein wahrer dazu, da es kaum Domorganistinnen gibt. Einzig Angelika Sutor (Freising) und Claudia Waßner (Augsburg) hatten sich als Mitautorinnen in dieser 45-köpfigen Dommusik-Männerrunde zu präsentieren gewusst. Aber lassen wir das Thema Frau & Kirche, Frau & Orgel oder ... mehr
CC & Digitalorgel - Über die Angstreflexe der Orgelszene - Gedanken zu Cameron Carpenters CD/DVD "If you could read my mind": Es amüsiert mich immer wieder, wie Taylor Cameron Carpenter in der unbeliebten und überaus philiströsen Orgelszene (mit den drei weithin wahrgenommenen L für langsam, laut und langweilig) rezipiert wird. Als er im öffentlich-rechtlichen Fernsehen vor einer erlauchten und sich ... mehr
Männerschwund? Gedanken zum dreistimmig singenden Kirchenchor inklusive Notentipps: Die kirchliche Chorszene hat sich in den letzten Jahren deutlich diversifiziert. Chöre, die in der bekannten katholischen Ordinariumsfalle sitzen oder das der Hochkultur verpflichtet erscheinende protestantische Programm "Schütz, Bach & Mendelssohn" im Dauer-da-Capo abarbeiten, sind merklich ... mehr
Gerhard Weinberger - Die Johann-Patroclus-Möller-Orgel in Marienmünster - Label TYXart: Keine Frage: Weinbergers Spiel an dieser umfassend restaurierten westfälischen Orgel von 1738 mit einem erstaunlich hohen Bestand an Originalsubstanz übt einen Reiz aus, der schlichtweg ... mehr
Marco Politi - Benedikt. Krise eines Pontifikats: Als Marco Politi im September 2011 mit seinem Buch „Joseph Ratzinger. Crisi di un papato“ aufwartete und daraufhin in den deutschen Medien mit dem Satz "Joseph Ratzinger hätte nicht Papst werden dürfen" zitiert wurde, konnte man im allerersten Augenblick klischeehaft ... mehr
Peter Planyavsky - Gerettet vom Stephansdom: "Kann man denn als Agnostiker Kirchenmusiker sein? Die Standardantwort „Natürlich nicht!“ kommt immer rasch und mit Emphase. Denn, so wird argumentiert, wer nicht an einen menschgewordenen Gottessohn glaubt, wird ein „Et incarnatus est“ nicht „richtig“ dirigieren ..." mehr
Cameron Carpenter live: Carpenter
spielt stets auswendig und registriert ebenso völlig autark. Er ist in
der Lage, nahtlose Crescendi ohne Walze zu steuern. Anglo-amerikanische
Divisionals kommen ihm dabei offensichtlich stets entgegen. Dabei legt
er in Agogik und Klanggestaltungen einen Stil an den Tag, der stark an ... mehr
MP3-CD - Historische Aufnahmen mit Helmut Walcha:
Walcha, der die 151 ausgewählten Werke zwischen 1947 und 1952 in Cappel
(St. Peter u. Paul) und Lübeck (St. Jakobi) einspielte, wird hier zum
Meister von Herzblut und Distanz. Gerade in der Retrospektive erscheinen
diese Interpretationen sehr engagiert und weniger ... mehr
Bischof Geoffrey Robinson - Macht, Sexualität und die katholische Kirche. Eine notwendige Konfrontation:
Wer in Robinsons Buch polemische Attitüden sucht, wird ebenso
enttäuscht sein wie der durchschnittliche Volkskirchensozialisierte
irritiert zurückbleiben muss und in einen weiteren Denkprozess
hineingerät, der ihn ... mehr
Herbert Vorgrimler - Theologie ist Biographie & Hans Küng - Erkämpfte Freiheit/Umstrittene Wahrheit: Gar keine Frage: Hans Küng kann schreiben - und wie! Spannend, umfassend informativ und persönlich aufrichtig. Es ist eine Lust, seine mehr als zahlreichen Zeilen zu lesen, um einmal Ulrich van Hutten sinngemäß ... mehr
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