Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche
ISSN 2509-7601
Die Vision des Späten gepaart mit dem Enthusiasmus des Frühen bei Helmut Walcha - oder auch: Was bekommt ein Organist zum Nikolaustag geschenkt?
Richtig, eine Orgel-CD. Klar, Orgelnoten wären sicherlich auch okay gewesen. Aber die Muße soll in einer Zeit nicht zu kurz kommen, in der die tannengrünen Sternstunden des Organisten- und Chorleiterdaseins bevorstehen. In meinem Fall war es „Bach – Orgelwerke – Helmut Walcha – MP3 – 151 Titel – 11.4 Stunden“. Nicht, dass ich diese 151 Titel bereits alle gehört hätte. Aber diejenigen, die ich intensiv genießen durfte, spiegeln einen interessanten Teil der Bach-Rezeption wieder. Walcha, der die 151 ausgewählten Werke zwischen 1947 und 1952 in Cappel (St. Peter u. Paul) und Lübeck (St. Jakobi) einspielte, wird hier zum Meister von Herzblut und Distanz. Gerade in der Retrospektive erscheinen diese Interpretationen sehr ambitioniert und weniger kühl als die späteren. Es mag sein, dass Walcha u.a. durch seine - kaum lebenslängliche - Reger-Allergie nicht allerorten als Sympathieträger gehandelt wird. Es mag auch sein, dass wir in puncto historischer Aufführungskenntnis mittlerweile um Lichtjahre vorauseilen durften und im Kontrast dazu Käte van Tricht mit ihren Romantizismen mittlerweile sehr attraktiv wirkt.
Fazit: Diese historischen Aufnahmen „haben etwas“, und zwar die Vision des Späten gepaart mit dem Enthusiasmus des Frühen. 100 Jahre Helmut Walcha sind ein Grund, die Ohren neu zu öffnen.
Was einem zu Nikolaus nicht alles so widerfährt ... (mpk)