Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche

                   ISSN 2509-7601

 

Was haben Zinkpfeifen und Spinat gemeinsam?           Das beliebte Märchen von den bösen Zinkpfeifen  

Höchstwahrscheinlich haben Zinkpfeifen und Spinat eine relativ kleine Schnittmenge. In einem Aspekt besteht jedoch recht große, wenn nicht gar höchste Übereinstimmung: Beide Gegenstände sind Opfer einer höchst resistenten Fehlinformation geworden. Spinat kam in's gute Töpfchen, Zinkpfeifen hingegen gerieten in die böse Schublade. Georg Christoph Lichtenberg sagte einst: "Die gefährlichsten Unwahrheiten sind die Wahrheiten, mäßig entstellt." Und in dieser Weise verhält es sich wohl auch mit dem immer wieder lustvoll und für so manches Instrument nicht gänzlich ohne Folgen verbreiteten Halbwissen über Zinkpfeifen.

Unter dem unreflektiert multiplizierten Ernährungsirrtum "Spinat enthält viel Eisen" haben ganze Generationen von Kindern leiden müssen. Bei beiden Irrtümern besteht jedoch ein wichtiger Unterschied, der die Konsequenzen berührt: Während mancher zusätzlich gelöffelte Spinatteller zumindest nicht im Übermaße gesundheitsschädlich war, so bedeutet das Märchen von den bösen Zinkpfeifen für viele aus verschiedensten Gründen verfemte Orgeln oft das endgültige Image-Aus vor dem gutgläubig ehrfürchtigen, preußisch verharrenden Orgelneubau-Spender-Publikum. 

Die Alternative heißt Aufklärung   

„Für die Becher von Zungenstimmen, wurde schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelegentlich Zink verwendet, z.B. hat Johann Friedrich Schulze 1836-38 in Halberstadt, St. Martini ein durchschlagendes Fagott 16' und eine aufschlagende Trompete 8' mit Zinkbechern gebaut.

In Ars Organi 47, 1999, H. 3, S,. 161-163 gibt es einen interessanten Artikel, der Äußerungen von Orgelbauern aus der Zeit um 1875 zum Thema Zink-Pfeifen zusammenträgt. Daraus geht ebenfalls hervor, daß Zink versuchsweise schon in den 1830/40er-Jahren zu Orgelpfeifen verwendet wurde. Für kleine Pfeifen erwies sich Zink als zu unbequem zu bearbeiten, aber bei großen Pfeifen wurde schon um 1875 eine Kostenersparnis konstatiert. Über den klanglichen Aspekt der Sache äußerte Friedrich Ladegast 1872: "Auch hält der Ton von Zinkpfeifen mit Zinnpfeifen gar keinen Vergleich aus. Natürlich spreche ich nur von Zinnpfeifen wie sie sein sollen. ...." Ebenso schrieb die Firma Schlag & Söhne 1874: "Aufgrund einer früheren Anzeige ... ließen wir uns Probepfeifen schicken und versehen dieselben mit bei uns jetzt eingeführten Hill'schen (London) Intonation, durch welche die Pfeifen den möglichst vollendeten Ton erhalten, jedoch blieben dieselben in jeder Beziehung weit hinter unsern Zinnpfeifen von gleicher Construction zurück."

Dem entsprechend selten wurde Zink noch im späten 19. Jahrhundert zu Orgelpfeifen verwendet. Dann setzte nach 1900 eine beträchtliche Verteuerung des Zinns ein: Zahlte man 1901 für 50 Kilo ca. 68 Mark, kostete dasselbe 1906 bereits 110 Mark. Da spielte wohl die militärische Aufrüstung der europäischen Staaten eine Rolle. 1906 gab der Orgelbauer Bernhard Chwatal in der Zeitschrift für Instrumentenbau folgendes Preisverhältnis an (Menge leider nicht genannt): Zink 70-75 Mark, Zinn 360-370 Mark. Da die deutschen Orgelbauer sowieso schon einem erheblichen Preisdruck ausgesetzt waren, wichen sie angesichts dieses Preisverhältnisses zunehmend auf Zink aus.

Über die klanglichen Eigenschaften schrieb Chwatal: "Für Prinzipal und Bässe eignen sich Zinkpfeifen nicht so gut, da sie nicht den vollen kernigen Ton der Holzpfeifen haben, auch zu Schallkörpern für 16- und 32füßige kräftige Zungenstimmen eignet sich Zink weniger, da der Ton mit Holzschallkörpern fester und kompakter ist, aber zu Schallkörpern für 8füßige Zungenstimmen ist das Zink als Ersatz für das teure Zinn sehr gut zu verwenden, ebenso sind die tiefen Oktaven der streichenden Register ganz gut aus Zink zu machen."

In den folgenden Jahren gewöhnte man sich dann an Zinkpfeifen und sah in ihnen keinen klanglichen Nachteil mehr; sicher auch, weil man Intonation und Geschmack an die Eigenheiten der Zinkpfeifen anpaßte. Im Zuge der Orgelbewegung nach 1925 kam das Material jedoch in Verruf, weil es als typisches Merkmal des ästhetischen und handwerklichen Niedergangs im Zuge des "Fabrikorgelbaus" der spätromantischen Epoche angesehen wurde, gegen den man zu Felde ziehen wollte. Der schlechte Ruf wirkt bis heute fort, obwohl die objektiv vorhanden materialbedingten klanglichen Unterschiede sicher kleiner sind als die Klangunterschiede zwischen sorgfältig und oberflächlich intonierten Pfeifen der gleichen Art.                                                                                                              

Daß Zinkpfeifen in Verruf kamen, lag sicher auch daran, daß in dieser Zeit unter dem heftigen Preisdruck immer mehr an der Intonationszeit gespart wurde. Große Orgeln wurden nach 1900 oft innerhalb von wenigen Monaten nach Vertragsabschluß aus dem Boden gestampft. Daß dabei die Intonation nur sehr oberflächlich erfolgen konnte, ist klar, und bei einem spröden, heiklen Material wie Zink wirkt sich dies besonders nachteilig aus.“

Zitat: Dr. Roland Eberlein, http://forum.orgel-information.de (Abruf 03.01.2008)

                                                                                                                                            

                                                                                                                               

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