Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche
ISSN 2509-7601
Orgelneubau in St. Reinoldi? "... Aufgrund der minderwertigen Materialien der Nachkriegszeit und diverser technischer Fehlkonstruktionen und Mängel befindet sich die Walcker-Orgel von 1958 heute – auch nach einer technischen Instandsetzung und Hinzufügung eines neuen Spieltisches mit Setzeranlage im Jahre 1996 – in einem zwar spielbaren, doch klanglich höchst unbefriedigenden Zustand. Die Kosten für die Instandhaltung sind immens. Da das derzeitige Instrument leider nicht an die große Tradition der Vorgängerorgel anknüpfen konnte und dem großen musikalischen Anspruch an diesem bedeutenden Ort nicht mehr gerecht werden kann, wird über die Zukunft des Instrumentes derzeit nachgedacht. Laut dem Gutachten des Orgelsachverständigen der Ev. Landeskirche von Westfalen, Herrn Manfred Schwarz, ist eine umfassende Restaurierung des Instrumentes – allein schon aus wirtschaftlichen Gründen – nicht mehr sinnvoll. Auch die musikalisch unbefriedigende Gesamtanlage der Orgel legt eine komplette Neukonzeption für die St. Reinoldi-Kirche nahe. Hierbei erscheint es möglich, Teile der alten Orgel mit einzubeziehen. ..." Reinoldi-Kantor Klaus Müller in www.sanktreinoldi.de/orgelprojekte.php (Stand: 26.07.2008; Hervorhebungen durch die Redaktion) ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ "Es fehlt der Bauch!" Reinoldi-Kantor Klaus Müller in den RuhrNachrichten vom 23.08.2008 |
Widerspruch: Wer Ohren hat, der höre! Der treffendste Widerspruch ergibt sich aus der Widersprüchlichkeit des Neubauprojektes. Der vermeintliche und von den Verantwortlichen diagnostizierte "klanglich höchst unbefriedigende Zustand" oder die "musikalisch unbefriedigende Gesamtanlage der Orgel" entpuppt sich nach dem Hören der CD und noch mehr nach Gottesdienst- oder Konzertbesuchen als völlig absurd und offenbart eine allenfalls höchst subjektive geschmackliche Motivation der Neubauwünsche. Seit fünf Jahrzehnten zeigen namhafte Organistinnen und Organisten auf, dass man an diesem Instrument des deutschen Wiederaufbaus Orgelwerke verschiedenster Epochen mit hohem künstlerischen Anspruch darstellen kann. Zudem Zudem sind die in der Tat bestehende Reparaturbedürftigkeit und die plakative Behauptung einer Irreparabilität völlig unterschiedliche Dinge. Es wäre unredlich, die verschlissene Schleifladen-Konstruktion (Windladen nach Hope-Jones mit elektropneumatischem Auslasssystem), defekte Schleifzugmotoren oder Teil-Fehlkonstruktionen als Todesurteil für dieses Instrument ins Feld zu führen. Mitnichten entspräche die angedachte Teilverwendung alten Pfeifenmaterials dem Denkmalwert der Bunk-Orgel. Die Unkundigen gerne mitgeteilten Killerphrasen von sogenannten minderwertigen Nachkriegsmaterialien sind höchst unsachlich und orgelbautechnisch falsch. 1958 kann man erstens materialbezogen nicht mehr von einer Nachkriegsphase sprechen, und zweitens hat man 1958 eine Orgel mit zeittypischen Materialien und Konstruktionsweisen gebaut. Diese sind denkmalpflegerisch zu würdigen.
Der in Reinoldi offensichtlich vorliegende Wartungsstau der Orgel (dem Vernehmen nach seit 2005) soll den Neubauplänen - insbesondere vor unkundigem Publikum - vermutlich argumentativ helfen. Selbst jede neue große Orgel hätte nach einer derartigen, vielleicht auch ethisch höchst bedenklichen Behandlung arge technische Probleme. Es drängt sich der Verdacht einer Irreführung auf. (mpk) ++++++++++++++++++++
Kein einziges substantiiertes Argument für den Abriss vorgetragen
"... Nochmal: entscheidend ist, daß aus Dortmund kein einziges plausibles und *substantiiertes* Argument für den Abriß kommt, das ernsthaft inhaltlich überprüfbar wäre. Stattdessen gibt es nur pauschal-vage Behauptungen. ... Nur ein kleines Detail: die Bälgchen der Tontraktur-Elektropneumatik sind über Lederösen mit den Abzugsdrähten der Ventile verbunden (s. Beispielfoto, Anm. d. Red.). Es ist klar, daß diese Lederösen nach 50 (in Worten: *fünfzig*!) Jahren allmählich reißen. Und jetzt kann man beispielsweise Konzertbesuchern oder einem ahnungslosen Kirchenvorstand vorgaukeln, wie kaputt die Orgel ist, obwohl es im Zweifel nur ein paar gerissene Lederösen sind. Ungefähr so, als wenn man ein neues Auto will, weil drei Sicherungen durchgebrannt sind, die Scheibenwischerblätter schmieren und obendrein auch noch der Aschenbecher voll ist. Davon abgesehen: der gute Klang rechtfertigt auch eine aufwendige technische Sanierung, ebenso wie bei den großen Klais-Orgeln der Zwischen- und Nachkriegszeit (Fritzlarer Dom, Frankfurter Dom, Abtei Münsterschwarzach usw.). ..." Jurist & Orgelsachverständiger Wolfgang Gourgé