Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche
Sweelinq
2.0 plus UPDATE
Ein ultimativer Testbericht jenseits der Kinderkrankheiten
- Mit Hauptwerk auf Ohrenhöhe
- Überzeugende(re) Attacks und Releases
- Keine Wimmelbild-Menüs
- Genutzte Marktlücken
- Ein Zwischenfazit
- Zwei Schattenbereiche
- Conclusio & Summary
„Entwickelt sich Sweelinq vielleicht zu einem ernst zu
nehmenden Konkurrenten für Hauptwerk?“, fragte unlängst der Betreiber von
Kirchenorgelforum.at mit erkennbar gespielter Ahnungsfreiheit in die größer werdende Runde,
seitdem er selbst seine bis dahin sakrosankte Digitalorgel nach langem Hin und
Her um das System Hauptwerk erweiterte.
Die Antwort gab ihm wenigstens mittelbar der bis dahin vielen als versierter und überaus treuer Hauptwerk-Konzertorganist bekannte Martin K.:
"I‘m new in Sweelinq and I love it." ==>> Sweelinq Community Discord |
Für diejenigen, die noch nicht viele Jahre in der Szene sind: Martin K. ist nicht nur im Besitze eines A-Diploms im Fache Kirchenmusik, sondern auch des sog. Konzertexamens. Insofern kann man ihm nach vielen Berufsjahren zutrauen, dass er in reflektierter Weise derartige Statements von sich gibt.
In diesem Zusammenhang darf der bekannte kanadische Komponist und Organist Carson Cooman als Vorreiter nicht unerwähnt bleiben. Er hatte sich zum Erstaunen vieler als Erster in der doch recht eingeschworenen Hauptwerk-Szene aus der Deckung gewagt und zahlreiche Werke mit Sweelinq eingespielt.
Es ist also eine gute Sache, Hauptwerk und Sweelinq komplementär zu nutzen, wenngleich es dem Verfasser dieser Zeilen auffällt, ungeachtet aller guten Hauptwerksets nun überwiegend Sweelinq zu nutzen. Einschalten, anklicken und los geht’s. Und das nach 25 Sekunden. Viele fragen sich: Warum nicht gleich auf das günstigere System des niederländischen Herstellers Noorlander setzen?
Mit Hauptwerk auf Ohrenhöhe
Die Phase, in der gelegentlich Forenenthusiasten ohne valide Expertise aggressiv über ihren organologischen und auditiven Ereignishorizont bar jeglicher Scham Zeugnis ablegten, scheint sich doch etwas gelegt zu haben, da es dann doch zu peinlich wurde. Der Schmerz, sehr teuer auf Hauptwerk gesetzt zu haben, hat seinen Stachel. So erhält der plakative Bekenntnisdruck eine sektiererische Note.
Die werbemetaphorisch immer wieder ins Spiel gebrachte Behauptung einer klanglichen Überlegenheit Hauptwerks ist angesichts der neueren Sweelinq-Sets sachlich nicht nachvollziehbar. Der direkte Vergleich mit guten Studiomonitoren und einer professionellen Soundkarte verweist eher darauf, dass Sweelinq zwar insgesamt leiser, aber nicht weniger qualitätvoll daherkommt als Hauptwerk. Die Betreiber von Forestpipes.de haben eine fundierte These zur angeblichen Soundverbesserung von neueren Hauptwerkversionen entworfen, die sich klangpsychologisch gut auf den von manchen Usern wahrgenommenen Unterschied zwischen Hauptwerk und Sweelinq kalibrieren lässt.
Ebenso wenig stichhaltig ist der Vorhalt geringerer Speichergrößen, die zunächst weniger Detailreichtum suggerieren. In der Tat liegen sie bei Sweelinq-Sets im Bereich von 3 bis 9 GB. Der Vergleich hinkt jedoch, weil Sweelinq mit seinem Stereo-Einzeltonsampling plus "impulse responses (IR) and convolution" audiotechnisch einen alternativen und speichersparenden Weg geht; ein Verfahren, das im Übrigen auch immer mal wieder selbst von HW-Setherstellern genutzt wird. Darüber hinaus generieren einige Hersteller im Hauptwerk-Sektor erstaunlich gute Ergebnisse bei auffallend geringem Speicherbedarf.Das Klangbeispiel "Annotatio" mit dem recht neuen Set "Schagen (NL) St. Christoforuskerk Nicholson-organ" verdeutlicht mit insgesamt acht Registrierungen von pp bis fff die Pägnanzqualität des Orgelsoftwaresamplers Sweelinq:
Klangbeispiel "In der Weihnachtsbäckerei" - Schagen (NL) St. Christoforuskerk Nicholson-organ
Klangbeispiel "Wedding Music/Hochzeitsmusik" Leeuwarden (NL) Grote Kerk Müller-organ
Klangbeispiel "Improvisation" - Urk (NL) Ichthuskerk Boogaard-organ
Klangbeispiel "Herz-Jesu-Blues" - Dordrecht (NL) Grote Kerk Bach-organ
Weitere Klangbeispiele (Amsterdam/Poligny ...) in Vorbereitung!
Keine Wimmelbild-Menüs
Sweelinq hatte jedoch von Beginn an die eigentliche und sehr klaffende Wunde Hauptwerks berührt und es mit Einfachheit, Intuitionsgebot und dem Weglassen von Spielereien schlichtweg besser gemacht.
Um
es etwas bildlicher auszudrücken: Hauptwerk führt einen ab der Einfahrt durch
den Garten und dann über den Keller ins Erdgeschoss und schließlich in die zahlreichen
Obergeschosse mit vielen Kämmerchen. Viele Nutzer beklagen bei der Menüführung das Gefühl, sich in
einem Irrgarten aufzuhalten. Man denke nur an die unglaublichen Wimmelbilder der verschachtelten Audio-Settings. Der Weg einer nachträglichen Elementarisierung scheint nicht mehr gangbar zu sein.
Bei Sweelinq ist es anders: Man tritt ganz
anglo-amerikanisch ohne Flur unmittelbar ins Wohnzimmer und kann bei Bedarf die
anderen Geschosse kennenlernen, die jedoch sehr aufgeräumt strukturiert
sind. Das filigran verkorkste
und wahrlich Nerven kostende Programm Hauptwerk ist ein Jammer und zugleich ein Segen für das System Sweelinq, das diese Marktlücke gekonnt nutzt. Hier ist intuitive Bedienbarkeit - ohne Blick ins mittlerweile
vorhandene Handbuch - angesagt und im wahrsten Sinne Programm.
Genutzte Marktlücken
Lassen wir an dieser Stelle einen weiteren Konzertorganisten, nämlich Stefan K. zu Worte kommen: „Nach vielen Jahren MyOrgan/GrandOrgue-Betrieb nun der durchaus schmerzliche Umstieg auf Hauptwerk, um schönere Samplesets spielen zu können. In puncto Usability und Konfiguration kann Hauptwerk dem Opensource-Konkurrenten leider nicht das Wasser reichen, der Hauptwerk-Support ist auch nur teilweise hilfreich.“ Hier wird eine weitere Marktlücke für Sweelinq beschrieben: Mit dem kostenfreien Konkurrenten GrandOrgue lassen sich - bis auf einige Ausnahmen - leider nur weniger attraktive Sets nutzen.
So nutzt Noorlander beide Schwachpunkte der Konkurrenz, indem ein Package aus handhabbarer und stets aktueller Software und einer stetig wachsenden und attraktiven Klangbibliothek zu einem günstigen Preis angeboten wird.
Ein Zwischenfazit
Sweelinq punktet gegenüber Hauptwerk mit intuitiver
Bedienbarkeit, die bereits mit der Version 1.0 erkennbar gut realisiert war. Klanglich ist man kongenial.
Sweelinq punktet ebenfalls gegenüber GrandOrgue mit attraktiven Sets. Über ein Dutzend Sets sind mittlerweile vorhanden. Sie sind im Laufe der Zeit, also seit 2021 erheblich besser geworden. Wer einst Sweelinq kostenfrei in der Betaphase mit den beiden Dordrechter Sets (Kam und „Bach“) getestet hat, kann heute kein realistisches Werturteil fällen.
Sweelinq
2.0 (mittlerweile 2.1.0) ist ein Feinschliff, der alles etwas optimiert hat, was auch für die Audio-Engine gilt. Es gibt zusätzliche und sehr zielführende Funktionen (wie z.B. New keyboard routing system, Audio outputs dialog, Organ preferences add for audio level, bass and treble, MIDI learning lowest and highest key), aber sie stellen keine Revolution dar. Das System Sweelinq hat es auch gar nicht nötig, denn die Software ist immer inklusive und kann kleinschrittig optimiert werden. Sie muss sich nicht wie Hauptwerk als Erfindung des Rades anpreisen, um die User zum Entrichten eines weiteren Obolus für ein Upgrade zu motivieren.
Also: Die Verbesserungen der Software mit der Version 2.0 fallen
nicht so sehr ins Gewicht wie die erheblichen Fortschritte bei der Herstellung der Orgelsets durch Noorlander. Das Windmodell war von Beginn an ebenso wie das Stereo-Einzeltonsampling plus Convolution Reverb überzeugend.
https://download.sweelinq.com/file/Sweelinq/Software/Release-Notes.pdf
https://download.sweelinq.com/file/Sweelinq/Software/Installation....pdf
Zwei Schattenbereiche
Zwei Dinge fallen leider negativ auf. Erstens wäre
da ein gewisser Fetisch bezüglich vermeintlicher Authentizität. Die Manual- und Pedalumfänge
erhalten grundsätzlich keinerlei Erweiterungen. Das ist in manchen Fällen äußerst
bedauerlich (Kampen/Bovenkerk u. Amsterdam/Oude Kerk); die Erweiterung der
Manuale um zwei Halbtöne, also bis d''', würde beispielsweise die Spielbarkeit
aller Bach-Werke ermöglichen. Darüber hinaus gibt es schlichtweg keine Funktion à la „Master
couplers“, wie wir sie von Hauptwerk kennen. Dass die Sets allerdings eine virtuelle
Setzeranlage erhalten, lässt nicht auf argumentative Stringenz schließen.
P.D.Q. Bach plays the organ (Geräusche einer virtuellen Setzeranlage)
Zweitens scheint die „Online installation of organs
integrated into application“ doch etwas arg zu hakeln. Alle Sweelinq-Orgeln
brauchen wohl beim Wechsel von der Version 1.0 zu 2.0 komplette neue
Datensätze. Noorlander hält sich da etwas bedeckt. Hinsichtlich der Kommunikation ist auch insgesamt noch Luft nach oben.
Die Online-Installation über Sweelinq hat beim Verfasser schlichtweg nicht funktioniert. Ob es an einer nicht allzu starken Internetverbindung, an einem schwachen WLAN oder auch an ruckelnden Servern zu diesem Zeitpunkt lag, kann nicht beurteilt werden. Auffällig war indes, dass sich die gleiche Problematik auch beim Wechsel von 2.0 auf 2.1.0 auftat. Ein „Application update“ unter „General“ erbrachte keinerlei Downloadfortschritt. Hingegen waren die Downloads am Office-Notebook grosso modo kein Problem.
Man muss folglich wärmstens anraten, alle Downloads im Vorhinein
über einen anderen PC zu regeln und auf einem Speichermedium zu sichern. So ist
der Orgel-PC dann auch nur für die Lizenzabfrage im 14-Tage-Rhythmus am Netz,
was von Vorteil ist und zudem seine Beachtung finden sollte.
Conclusio
Es ist gut, dass Hauptwerk eine reüssierte, weil profunde Konkurrenz hat. Es ist ebenfalls gut, beide Systeme komplementär ohne Probleme nutzen zu können. Auffällig ist der Umstand, dass Sweelinq im Vergleich innovativer wirkt.
(06.10.2024/mpk)