Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche
ISSN 2509-7601
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Ich bete an die Macht der Liebe ...
Wer hätte das gedacht: Kitsch im Orgeljournal? Ein paar tongewordene und gewiss mediokre Assoziationen zu "Ich bete an die Macht der Liebe" sind auf dem eigenen YouTube-Kanal zu hören und zu sehen. Durch einen persönlichen Musikwunsch kam es dazu, den - eigentlich eher von mir lange Zeit verschmähten, weil schwülstig-pietistischen - Song (EG 661) in dieser Weise musikalisch aufzubereiten. Insbesondere die letzte Strophe trieft zwar nur so vor Emotionalität, muss jedoch in ihrem historischen Kontext verstanden werden und wurde in die Variationen miteinbezogen. Diese Strophe - sechs Jahre vor den anderen entstanden - setzt sich zudem in spiritueller Hinsicht von den anderen ab:
"O Jesu, daß Dein Name bliebe
Im Grunde tief gedrücket ein!
Möcht Deine süße Jesusliebe
In Herz und Sinn gepräget sein!
Im Wort, im Werk, in allem Wesen
Sei Jesus und sonst nichts zu lesen."
Text: Gerhard Tersteegen (1697-1769), 1757/letzte Strophe 1751; Musik: Dimitri Bortnjansky (1752-1826), 1822
Der Text des Kirchenliedes "Gott ist gegenwärtig" stammt ebenfalls von Tersteegen. Dort ist jedoch für uns heute die gefühlte Distanz zum Gesang nicht ganz so groß, was sicherlich durch die zum Teil grenzwertige Rezeption von "Ich bete an die Macht der Liebe" begründet sein mag. Insgesamt - und insbesondere die "süße Jesusliebe" der letzten Strophe - erinnert der Text wohl auch an Bachsche Kantatentexte, da doch der Leipziger Meister ganz und gar nicht frei von Zeitgeist und pietistischen Sehnsüchten war, was der gut dokumentierte Nachlass seiner Hausbibliothek nachweist. Weitere Gedanken zu Tersteegen, der dem reformierten Pietismus quietistischer Prägung zugerechnet werden kann, sind hier in einer detaillierten Darstellung nachzulesen. Die Homepage des Autors Pfr. i. R. Manfred Dompf "Meditation - Kommunikation - Aktion" ist übrigens sehr lesenswert.
Insgesamt stellt sich die Frage: Wer definiert eigentlich hoheitlich die Kategorie "Kitsch"? Im Nachhinein erscheint mir meine vormalige Abneigung als Hybris, zumal auch die schlichte Melodie des Liedes als übetechnisches Improvisationsmaterial sehr dankbar entgegengenommen werden kann. Aber das wäre sicherlich auch ein ganz anderer Aspekt. Freilich bleibt damit die Frage der Liturgizität oder das leidige Thema oft fremdbestimmter und christentümlich-kirchlich etikettierter Hochzeitsfeiern noch weithin unbeantwortet. Aber wer möchte da Richter sein?
Augustinus grüßt von Ferne mit seinem bekannten Spruch: "Viele, die drinnen sind, sind draußen, und viele, die draußen sind, sind drinnen."
- Choral
- Vivace con Tuba "Dein Name"
- Valse triste "Im Grunde tief gedrücket ein"
- Fanfare "Herz und Sinn"
- Adagio per Sesquialtera III "In allem Wesen"
- Toccatina e Lento "Sonst nichts"
Künstlerisch ohne innewohnenden Anspruch sollen Ton und Bild des Videos - durchaus und gerne in polyvalenter Weise! - zum Nachdenken anregen und auch zugleich aufzeigen, dass mit allereinfachsten Improvisationsbausteinen und simpelster Technik eine kleine Partita schnell zusammenzustellen ist. Mit anderen Worten: Nur Mut zum Improvisieren! Frei nach Peter Ewers: "Probieren Sie aus, sich selbst mit einer starken Emotion anzutreiben. Häufig schafft das bei aller „ernsthaften" Beschäftigung mit der Improvisation eine emotionale Offenheit und Wachheit, die wirklich Berge versetzt." mehr über "Einfach spielen! Anstiftung zur Improvisation" von Peter Ewers
Nun wurden hier gewiss keine Berge versetzt, jedoch mit allem Mut zu Gasttönen und kleinen Satzfehlern ein paar bescheidene Skizzen entworfen, die zu eigenem Experimentieren anregen mögen. Die Aufnahme wurde übrigens mit Hilfe eines Software-Samplers für Pfeifenorgeln erstellt. (mpk)