Journal für Orgel, Musica Sacra und Kirche

                   ISSN 2509-7601



Münsters Himmelsleiter zu St. Lamberti als Inspiration für eine musikalische Exegese von Gen 28,10-17

Billi Thanners Installation zu St. Lamberti in Münster war der konkrete Anlass, das Opusculum "Himmelsleiter - Music for Organ" auf den Weg zu bringen. Es besitzt eine ungefähre Spiellänge von ca. vier Minuten und kann in folgende Abschnitte aufgeteilt werden:

1. Intro/Thema F + C + a + g

2. Bridge Es/C + Cis/C - c - G

3. Fugato c - C7

4. Reprise F + C + a + g

5. Jubilus-Coda F + G7 + B7 + As + B + F

--->>> zu den Noten!

Programmmusik

In der Regel mutet es bizarr an, wenn der Urheber einer Klangzusammenstellung (lat. componere = zusammenlegen) hermeneutische Hinweise mit auf den Weg gibt. Immerhin ist die musikalische Idee „Himmelsleiter“ eine Art Programmmusik. Wagen wir es dennoch, denn vielleicht ist es sensibilisierend für eine Dekonstruktion an der Schnittstelle von Musik und Theologie.

Die Musik beginnt sogleich mit Jakobs Traum und einer Imagination der intensiv von Boten (resp. Engeln) genutzten Leiter als Nahtstelle zwischen Mensch und Gott. Auch das Bild einer Art Rampe ist naheliegend.

Textstelle Gen 28,10-17 (Zürcher Bibel): https://www.youtube.com/watch?v=-qwXpN0Sn88&t=108s (Die Screenshots wurden der empfehlenswerten Seite bibelserver.de entnommen.)

Intro/Thema

Zunächst fällt die nachgeordnete – und eben nicht gleichzeitige – Gegenbewegung in der linken Hand und der Pedalstimme auf; die Stufenfolge I – II – III – II – I bildet ein Ostinato, das zunächst von aufstrebenden Skalen in der rechten Hand sekundiert wird. Ein abwärts gerichtetes Treppenmotiv beschließt das Thema in F. Die folgende Wendung nach C intensiviert die Abwärtsbewegungen. In der anschließenden Mollparallele a wird Spannung aufgebaut, die sich danach in einem größeren Drive zwischen D-Dur und g-Moll und mehr Pedalmotorik auszuschwingen beginnt. Ein Auf und Ab ergibt sich, das stets repetiert wird: Das dialogische Call-and-Response ist hier konstitutiv.

Bridge

Überraschend endet der erste Abschnitt mit einem innehaltenden Carillon-Motiv auf Es/C und Cis/C und nach einer abwärtsgerichteten Skala auf c in einer Kadenzfloskel auf G endet. Im wahrsten Sinne: Hier wird etwas vorbereitet und angekündigt.

Fugato

Die Imitation in c stellt die Mitte der Musik Himmelsleiter dar und mag die Rede des Herrn mit ihrem dreifachen Einsatz des sprunghaften Themas g-c-as-etc. assoziieren. Der Abkadenzierung nach dem dritten Themeneinsatz folgen wieder Treppenmotive, die in der Dominante G enden.

Reprise

Die darauf folgende C-Dur-Skala endet mit einem neuen Leitton, nämlich b, sodass die Reprise wieder in F beginnen kann. Sie bildet jedoch das ursprüngliche Thema in veränderter Weise ab: Die Bewegungen von linker Hand und Pedalstimme sind nun aufwärts gerichtet, indem nun die Stufenfolge I – II – III – IV mit Septakkorden dargeboten wird. Der erste Teil wird hier nicht kopiert, sondern in leicht veränderter Weise intensiviert. Die Reprise endet nicht wie das Intro mit einem quasi abbremsenden Carillon, sondern mit toccatenartigen Akkordbrechungen, die in ihrem Abschluss die Spannungsdissonanz von Cis-Dur gegen f-Moll gegeneinander stellt.

Coda

Die abschließende Jubilus-Coda zelebriert die enthusiasmierte Stimmung mit einem nochmals beschleunigten Tempo, farbiger Chromatik und quittiert sie vor allem mit den drei fetten Jazzakkorden. Ein Tremendum et Fascinosum hat hier seinen Platz (Vers 17).

Jakob, der den Bogen wahrlich überspannt hatte, erhielt durch Gott eine nicht erbetene und somit unverhofft große Zweitchance in Form von totaler Nähe und umfänglichem Zuspruch. Ein Trost, der Mut macht und in der Orgelmusik Himmelsleiter seinen Ausdruck finden mag.  (mpk - 01.02.2025)

 

                                                                                                                         

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